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Seelische Aspekte bei demenziellen Erkrankungen

05.01.2024  © Uta-Maria Freckmann

 

Grundlegend für meine Arbeit als spirituelle Psychologin, ist die Suche nach dem Sinn in all den Erfahrungen und Herausforderungen des Lebens. Alle Senioren-Alltagshelferinnen in meinen Qualifikations-Seminaren erlernen Validation, dort ist schon bekannt, dass demenzielle Erkrankungen den alten Menschen die Möglichkeit geben, belastende Erfahrungen aufzuarbeiten, um so Situationen aus der Vergangenheit aufzulösen. Ein sehr wichtiges Geschehen, um mit weniger inneren Blockaden und Verhaltensmustern dieses Leben beenden zu können.

 

Es gibt innere Widerstände in den meisten Menschen, die verhindern, dass beängstigende und bedrückende Situationen aus dem Alltag, Traumata oder Blockaden durch Bewusstwerdung der Gefühle oder eine veränderte Haltung gelöst werden können. Im Laufe des Lebens kristallisieren diese Gefühle dann immer mehr. Das ist wie eine innere Barriere, durch die die Seele nicht hindurchdringen kann. Deshalb wird empfohlen, schon früh mit der Selbstreflexion zu beginnen und sich z.B. Projektionen oder behindernde Verhaltensmuster bewusst zu machen.

 

Geschieht das nicht, wird es immer schwieriger sich diese Muster bewusst zu machen oder verdrängte Gefühle zu befreien. Nur wenn die Persönlichkeit eine Zeit lang zur Seite geschoben wird, können belastende Situationen aus der Vergangenheit an die Oberfläche dringen. Durch diese „Öffnung“, die als Demenz bezeichnet wird, kann der alte Mensch dann neue Lösungsmöglichkeiten finden, um seine Gefühle zur damaligen Situation noch einmal zu betrachten und neue Reaktionen erproben, um auf alte Situationen zu reagieren. Das ergibt für Außenstehende teilweise seltsame oder unverständliche Handlungen, in denen die demenziell Erkrankten Reaktionen zeigen, die man sonst nicht von ihnen kennt (Aggressionen, Abwehr, extremer Eigenwillen). Generell sind natürlich physische Erkrankungen durch einen Arzt abzuklären, die ebenfalls beteiligt sein können.

 

Ein Beispiel: eine an Demenz erkrankte Frau sitzt an ihrem Küchentisch, ihre Tochter bereitet das Frühstück vor. Ein Nachbar klingelt an der Tür und betritt den Raum. Er bespricht etwas mit der Tochter, weil er demnächst helfen will einen Baum im Garten zu beschneiden. Die Stimme des Mannes erinnert die alte Dame an eine vergangene Situation, in der ein Junge sie in der Schule gehänselt hatte, wegen ihrer ärmlichen Kleidung. Damals hatte sie sich geschämt und sich in sich zurückgezogen, was zu einem zurückhaltenden Auftreten und fortan zu Ängsten führte, sich nicht angemessen kleiden zu können, oder generell etwas falsch zu machen. Jetzt reagiert sie aggressiv, schreit den Mann an, verlangt dass er sofort gehen und sich nicht mehr blicken lassen soll und meint erbost, dass sie anzieht was sie will. Sie ist sichtlich aufgebracht und weint, niemand versteht ihre Reaktion.

 

Scham oder Schuldgefühle sind aus seelischer Sicht extrem belastend und können zeitlebens zu einem veränderten Verhalten führen, welches bestehende Möglichkeiten begrenzt. Durch die Lösung vergangener Situationen und das erneute Durchleben, kann der alte Mensch von belastenden Gefühlen befreit werden, was eine wichtige Voraussetzung ist, um sich auf einen sanften Tod vorzubereiten. Der letzte Lebensabschnitt ist eine der wichtigsten Etappen im Leben des Menschen. Demenz hilft dabei, diese Zeit bestmöglich zu nutzen, um am Ende sanft auf die andere Seite hinüber gehen zu können. 

 

Die Kenntnis dieser Hintergründe als pflegender Angehöriger, hilft eventuell, leichter damit fertig zu werden und kann ein wenig trösten.